Geschichte
Vom Klein- zum Großbetrieb: Firmengründer Eduard Rheinberger (1856-1918)
Inhalt
- Firmengründung im „Landgräflichen Husarenstall“
- Wirtschaftlicher Aufschwung: Der Großbetrieb an der Schachenstraße
- Erfolgskonzept der Passförmigkeit
- Auswirkungen des 1. Weltkriegs
- Tod des Firmengründers Eduard Rheinberger
- Ein schweres Erbe für die Söhne Gustav und Robert Rheinberger
- Von der Offenen Handels-Gesellschaft zu Aktiengesellschaft
- Soziales Engagement: Das Eduard-Rheinberger-Altersheim
- Zwang zum Billigschuh
- Markenzeichen „Rheinberger“
- Der Zweite Weltkrieg
- Rheinberger im Nationalsozialismus
- Kriegsende und Wiederaufbau
- Rudolf Seibel erwirbt die Firma Rheinberger
- Vom Betriebsgelände zum Gewerbepark
Der Gründer der Schuhfabrik „Eduard Rheinberger“ wurde am 28. September 1856 als Sohn des Lehrers Karl Friedrich Rheinberger und dessen Ehefrau Magdalena, geboren Gundelwein, in Pirmasens geboren. Sein Geburtshaus, die Dienstwohnung seines Vaters, war das ehemalige obere protestantische Schulhaus am Exerzierplatz. Eduard hatte zwei Brüder, einen älteren namens Eugen (geboren 1853) und einen jüngeren namens Gustav (geboren 1862), sowie, aus erster Ehe seines Vaters, zwei Stiefbrüder: Karl (geboren 1847) und Jakob (geboren 1850).
Jakob war der erste aus der Familie Rheinberger, der sich der Schuhfabrikation zuwandte. Am Exerzierplatz gründete er die Schuhfabrik „J. Rheinberger“ und holte um 1879 Eduard Rheinberger als Geschäftsreisenden in seine Firma. Eduard, der seit seiner Geburt an einer Herzschwäche litt, betrieb die Geschäfte trotzdem mit größtem Eifer und erwarb innerhalb kurzer Zeit eine deutschlandweite Kundschaft. Inzwischen kam es aber innerhalb der Familie zu Streitigkeiten. Nach der Heirat mit Lenchen Schulz im Jahr 1881 entfremdete sich Jakob von seiner Familie, was vonseiten Jakobs zu Eduards Kündigung führte, der daraufhin am 1. Juli 1882 unter Auszahlung eines Geschäftsanteils von 19.500 Mark aus der Firma seiner Halbbruders austrat.
1. Firmengründung im „Landgräflichen Husarenstall“
Als Geschäftsreisender begehrt, suchte ihn sein Freund und Schuhfabrikant Ludwig Kopp für dessen Firma zu gewinnen.
An der Stelle hatte sich vormals die Hartneck’sche Schuhfabrik befunden, bei der Eduard in die Lehre gegangen war. Schon drei Jahre später musste aufgrund der beengten Räumlichkeiten ein neues Fabrikgebäude errichtet werden, das im Herbst 1885 fertiggestellt wurde, ebenfalls in der Ringstraße, in dem fast 100 Arbeiter beschäftigt waren. 1886 erhielt der Betrieb schon einen Gasmotor, 1890 eine moderne Kesselanlage sowie eine Dampfmaschine von 25 PS und eine elektrische Lichtanlage. Eduards Bestreben, wie es in seinem Geschäftsbrief zur Gründung heißt, „solide und passende Ware herzustellen“, zeigte sich als Erfolgskonzept.
1884 weisen die abschließenden Zahlen seit Gründung einen Umsatz von 532.275, 68 Mark auf, mit einem Gewinn von rund 34.000 Mark. Am 21. März 1885 vermählte sich Eduard Rheinberger mit Adele Lützel, der ältesten Tochter des Gerbereibesitzers Christian Lützel. Zur Hochzeit waren nicht nur die weitverzweigten Familien eingeladen, sondern auch die Arbeiter sowie deren Frauen. Ein Jahr später wurde in der neuen Wohnung am Exerzierplatz das erste Kind geboren, das den Namen Helene erhielt. 1887 kam August Eduard zur Welt, der aber nach wenigen Wochen starb. 1889 wurde Gustav, 1894 Robert geboren, die später in der Firma tätig wurden.
2. Wirtschaftlicher Aufschwung: Der Großbetrieb an der Schachenstraße
Weiterhin gab es eine starke Nachfrage nach den Fabrikaten von Rheinberger, was einen nächsten Aufschwung bewirkte. 1903 wurden Grundstücke an der Schachenstraße in der Nähe der Post erworben, auf dem 1905/06 ein moderner Großbetrieb entstand. Die Ausführung der Bauweise beeinflusste nicht nur die Pirmasenser Fabriken, sondern wurde zum Vorbild für die gesamte deutsche Schuhindustrie.
In einem Rechteckbau von 60 Meter Länge und 45 Meter Breite mit angebauter Kraft- und Kesselanlage sowie Betriebsleiterhaus wurden in drei und rückwärts vier Stockwerken die einzelnen Abteilungen in der Reihenfolge des Herstellungsprozesses untergebracht.
Im obersten Stockwerk befanden sich das Oberlederlager, die Zuschneiderei und die Schaftstepperei. Im darunterliegenden Stockwerk die Abteilungen der Bodenbefestigung und des Bodenausputzes; im Erdgeschoß die Sohlen- und Absatzstanzerei, die Fertigmacherei und die Büro- und Versandräume; im Kellergeschoss die Lagerabteilungen und das Bodenlederlager. Zu dieser Zeit stieg die Zahl der Beschäftigten auf über 1000 Menschen an. So wurde aus einem Kleinbetrieb ein vorbildlicher Großbetrieb, der bereits 1911, trotz inzwischen errichteter Teilbetriebe (Zwickfilialen) in den Nachbargemeinden Clausen und Lemberg, durch Anbau eines 45 Meter langen Flügels vergrößert werden musste. In dem neu erstellten Flügelbau wurde die inzwischen errichtete Lagerabteilung untergebracht.
3. Erfolgskonzept der Passförmigkeit
Als Absatzgebiet war 1913 das ganze Deutsche Reich erschlossen. Rund 10 Prozent gingen in den Export, vor allem in die Donaumonarchie und nach Persien. Neben der Passform stand nun auch die modische Aktualität der Schuhe auf dem Programm, nicht zuletzt, um sich gegen die zunehmende Konkurrenz abzusetzen. Die Gesamtproduktion belief sich 1913 auf eine Million Paar Schuhe bei einer Belegschaft von 1400 Beschäftigten. Eduard Rheinberger wurde 1913, dem schon einige Jahre vorher für seine Verdienste der Titel eines Kommerzienrates verliehen worden war, durch den Besuch des bayerischen Prinzregenten Luitpold und dessen ganzer Familie besonders geehrt.
Neben dem Weltruf der Passförmigkeit, der vor allem durch die Konfirmanden- und bequemen Weitschaft-Stiefel erreicht wurde, war für den Erfolg auch die fortschrittliche Ausgestaltung der Fabrikationsmethoden maßgeblich. Dazu gehörten maschinelle Neuerungen, insbesondere am Beispiel der amerikanischen Goodyear-Maschinen, deren Fabrikationsmethode Eduard Rheinberger auf deutsche Maschinen umsetzen ließ. Neben den Neuerungen und der Logistik in den Herstellungsabläufen waren es aber auch soziale Aspekte, die den Erfolg des Betriebs ausmachten. So gab es 1913 bereits einen Arbeiter-Ausschuss sowie soziale Leistungen für die Arbeitnehmer/innen.
4. Auswirkungen des 1. Weltkriegs
Einen vorübergehenden Stillstand, bedingt durch Materialmangel und Heereslieferungen, brachte der Erste Weltkrieg. Durch die Einschränkungen beim Zivilbedarf war Leder knapp geworden. Schäfte wurden zur Not aus Papierstoff und Sohlen aus Holz gefertigt, die mit aus Abfällen gestanzten Lederstücken besetzt wurden. Viele der Arbeiter waren zum Kriegsdienst einberufen, wie auch Gustav Rheinberger; Robert, der jüngere Sohn, war aufgrund seines Gesundheitszustandes vom Kriegsdienst befreit. Die im Krieg weilenden Fabrikarbeiter wurden durch arbeitende Frauen ersetzt, aber auch Kriegsgefangene, zumeist russischer Herkunft, wurden beschäftigt. 1917/18 zählte die Belegschaft noch rund 700 Beschäftigte, die neben Zivilschuhen auch Kriegsbedarf herstellten, wie Gasmaskeneinlagen oder Granathüllen, beides aus Papierstoff.
5. Tod des Firmengründers Eduard Rheinberger
Noch vor Kriegsende starb Eduard Rheinberger. Am 10. März 1918, im Alter von nur 62 Jahren, erlitt er einen Schlaganfall, als er sonntags mit Freunden im Café Luitpold Karten spielte. Eduard Rheinberger war Kommerzienrat und gehörte von 1895 bis 1909 dem Stadtrat an. Er war Mitglied des Handelsgremiums, Vorstand des Pirmasenser Fabrikantenvereins und Hauptausschussmitglied des Deutschen Schuh- und Schäfte-Fabrikantenvereins. Zu der Zeit war die Schuhfabrik „Eduard Rheinberger“ die größte in Pirmasens. Zum Gedächtnis an den Verstorbenen errichtete man eine Stiftung, aus der später das Eduard-Rheinberger-Altersheim entstand.
6. Ein schweres Erbe für die Söhne Gustav und Robert Rheinberger
Mit dem Tod des Fabrikgründers traten seine Söhne, Gustav (1889-1968) und Robert (1894-1937), nach dem Krieg ein schweres Erbe an. Auf die Besetzung durch die Franzosen folgten zahlreiche Einschränkungen, vom Lieferverkehr bis zur Kohlenzuteilung, was eine reduzierte Produktion zur Folge hatte. Auch die aufkommende Inflation schädigte die finanzielle Lage der Firma.
Trotzdem war nach Ende des Weltkriegs, durch zurückkehrende Arbeiter, der ehemalige Beschäftigungsgrad bald wieder erreicht. 1920 wurde das Fabrikgebäude aufgestockt, um weitere Produktionshallen zu gewinnen. Andere Baumaßnamen sollten der Wohnungsnot entgegenwirken. So wurden 1921/22 in einer neuen, nach Eduard Rheinberger benannten Siedlung auf der anderen Seite des Strecktals acht Wohnhäuser mit 28 Werkswohnungen erbaut.
7. Von der Offenen Handels-Gesellschaft zu Aktiengesellschaft
Bedingt durch die unsicheren Zustände, die vonseiten der Besatzungsmacht auch ein Eingreifen in das Privateigentum möglich erscheinen ließen, wurde die Firma 1922 von einer Offenen Handels-Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft umgebildet, wobei die Anteilseigner ausschließlich die Familienmitglieder Helene, verheiratet Pfister (1000 Aktien), Robert (1900 Aktien) und Gustav Rheinberger (2100 Aktien) waren.
Nach der Hyperinflation folgte 1924 die Stabilisierungskrise, bis es 1925, durch Einführung der Rentenmark bzw. Goldmark und den Wegfall der Rheinzölle, bei voller Produktion wieder einen stärkeren Umsatz gab. In demselben Jahr wurde der heute noch charakteristische siebenstöckige Hans-Sachs-Bau an der Ecke Schachen-/Fröhnstraße erstellt, mit einer Skulptur des berühmten Nürnberger Schuhmachers, Meistersingers und Spruchdichters als Wahrzeichen.
7. Soziales Engagement: Das Eduard-Rheinberger-Altersheim
Die Jahre 1926 bis 1928 bescherten Rheinberger starke Umsätze. 1927 stellten die 1800 Mitarbeiter täglich 5000 Paar Schuhe her, wobei vom Ertrag 10.000 Reichsmark in den Pensionsfond übergingen und 50.000 Reichsmark in die Fertigstellung des Eduard-Rheinberger-Altersheims, das zum 10. Todestag des Firmengründers, am 10. März 1928, den Betriebsangehörigen zum Alterssitz übergeben wurde. Errichtet wurde es an dem Platz, wo sich ehemals die Gerberei Lützel aus der Familie der Ehefrau von Eduard Rheinberger befunden hatte.
9. Zwang zum Billigschuh
Trotz der Erhöhung der Schuhpreise gingen weiterhin hohe Aufträge ein, sodass der Arbeiterstand 1928 nochmals auf 2100 Personen vergrößert wurde – der bisherige Höchststand. Die steigenden Schuhpreise waren auf die Preisbewegung bei Boden- und Kalbleder zurückzuführen, die aufgrund der Nachfrage 1927/28 bei bis zu 80 Prozent über dem Normalpreis lag. Um Leder möglichst einzusparen, griff Rheinberger auf die schmaleren, englischen Formen zurück, zudem wurden billigere Schnitte in größeren Serien angefertigt. Der Zwang zum Billigschuh, wie er durch die Weltwirtschaftskrise, den Schuhhandel und Konkurrenzfirmen betrieben wurde, stürzte nicht nur Rheinberger in die Krise. Während andere Firmen schließen mussten, wurde bei Rheinberger auf Kurzarbeit umgestellt. Trotzdem mussten die bestehenden Teilbetriebe in Clausen und Lemberg geschlossen werden (1938 entstanden in Clausen und Neunkirchen wieder Steppfilialen).
10. Markenzeichen „Rheinberger“
Um sich stärker zu positionieren, wurde 1931/32 das Markenzeichen „Rheinberger“ eingeführt (ab 1934 durch planmäßige Werbung), zu dem später auch Werbemittel wie die „Rheinberger-Jugendpost“ gehörten. Entworfen wurde das Logo von der grafischen Kunstanstalt Fritz Mannheim in Kaiserslautern. Der Zusatz „Meisterbetrieb“ bzw. „Meisterschuhe“ sollte den Qualitätsanspruch verdeutlichen. Symbolisch stellt das Markenzeichen einen Berg und eine Rhein-Welle dar. Für die orthopädischen Artikel wurde das Markenzeichen durch ein Kreuz in der Mitte ergänzt und mit dem Zusatz „Rectosan“ versehen, abgeleitet von „rectus“ = gerade, richtig und „sanus“ = gesund. Rheinberger war eine der ersten Schuhfabriken, die sich den „gesunden Schuhen“ verschrieben hatte. Erst später folgten die Firmen in Bad Wörishofen oder die Firma Birkenstock.
11. Der Zweite Weltkrieg
Neben den Qualitätsschuhen und orthopädischen Schuhen waren es ab 1935 auch vermehrt Militärschuhe, die für Umsatz sorgten. 1935 stellte Rheinberger rund 32.000 Paar Militärschuhe, darunter Reit- und Marschstiefel her; 1939 waren es rund 62.000 Paar. Die Zahlen werfen ihre Schatten voraus: Am 1. April 1939 begann mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Pirmasens, das zur „Roten Zone“ gehörte, musste in kurzer Zeit geräumt werden. 2300 Mitarbeiter, über 2000 Maschinen und unzählige Kisten mit Waren und Materialien wurden nach Offenbach am Main überführt, wo Gustav Rheinberger Säle und Abteilungen der Schuhfabrik Herz A.G. erwarb. (Die Herz A.G. war von Otto Herz gegründet worden, der jüdischen Glaubens war. Ob der Betrieb im Vorfeld „arisiert“, d.h. enteignet worden war, steht noch zur Recherche aus. Lt. Berliner Börsenzeitung Nr. 30 vom 18. Jan. 1940 führte u.a. die „kriegswirtschaftliche Umstellung“ zur Liquidation der Firma und zur Annahme des Kaufangebots von Rheinberger durch die Hauptversammlung.) Bis 1940 wurde die Produktion ausschließlich in Offenbach betrieben, am 26. August ging der Großteil zurück nach Pirmasens, während in Offenbach mit vorerst rund 400 Mitarbeitern ein Zweigwerk verblieb.
12. Rheinberger im Nationalsozialismus
Wie auch andere Firmen profitierte Rheinberger von der nationalsozialistischen Wirtschaftsorganisation. Nach neueren Recherchen des Pirmasenser Stadtarchivs beschäftigte die Firma von 1939 bis 1945 insgesamt 283 Zwangsarbeiter/innen, 200 männliche und 83 weibliche. Sie kamen aus Belgien, Italien, Jugoslawien, Norwegen, Russland und Frankreich. Aus den beiden letztgenannten Ländern waren es 178 Kriegsgefangene.
Zur Qualitätssteigerung schickte Rheinberger Modellschuhe zur sogenannten „Schuhprüfstrecke“ im Konzentrationslager Sachsenhausen. Hier hatten die Häftlinge über Laufstrecken von täglich bis zu 48 km das Schuhwerk zu tragen, damit der Gebrauchswert von Modellen und, aufgrund der Lederknappheit, von Ersatzmaterialien bestimmt werden konnte. Zeitzeugenberichten zufolge galt das sogenannte „Schuhläuferkommando“ als besondere Foltermethode. Viele der Häftlinge starben an Entkräftung und durch die Misshandlungen der Lager-SS.
13. Kriegsende und Wiederaufbau
Infolge eines Fliegerangriffs im März 1944 brannte das Zweitwerk in Offenbach zu mehr als der Hälfte aus. Vom verheerenden Fliegerangriff auf Pirmasens am 15. März 1945, bei dem zwei Drittel der Innenstadt zerstört wurden, blieb das Rheinbergergebäude weitestgehend verschont. Allerdings führten spätere Artillerie-Angriffe zur Zerstörung mehrerer Abteilungen, darunter des Hans-Sachs-Baus, der bis auf die obersten zwei Stockwerke ausbrannte. Nach Kriegsende und dem Einmarsch der Amerikaner konnte bereits Mitte September 1945 mit einem Drittel der Belegschaft die Produktion wieder aufgenommen werden, während gleichzeitig die Gebäudereparaturen stattfanden. Trotz der Demontage von 200 Maschinen durch die französische Besatzungsmacht stand Rheinberger 1948 mit einer Pirmasenser Belegschaft von rund 800 Mitarbeitern wieder in der ersten Reihe der deutschen Schuhfabriken. Auch das Werk in Offenbach war wiederhergestellt, dort wurde mit einer Belegschaft von rund 230 Mitarbeitern produziert.
14. Rudolf Seibel erwirbt die Firma Rheinberger
1973 erwarb der Hauensteiner Schuhfabrikant Rudolf Seibel mit der Zusicherung, die Produktion in Pirmasens weiterzuführen und die Arbeitsplätze in der Mehrheit zu erhalten, die Rheinberger GmbH. Durch eine neu ausgerichtete Produktions- und Absatzpolitik steigerte Seibel den Verkauf, auch im Bereich des Exports. 1975 wurde, im Zuge der Rationalisierung, auch die Produktion der zur Ass-Gruppe gehörenden Vereinigten Schuhfabriken „Pudelwohl“ von Nürnberg nach Pirmasens verlegt.
Als zunehmend existenzgefährdend beschrieb Seibel 1982 die „Importwelle“, die durch EG-Verträge und freien Außenhandel zwischen 1965 und 1981 von 60 Millionen Paar Schuhe auf 190 Millionen Paar anwuchs. Zum Vergleich steigerte sich der Export von Schuhen in demselben Zeitraum von ungefähr 10 Millionen auf nur 25 Millionen Paar. Nicht nur bei Rheinberger führte diese Strukturkrise letztendlich zur Schließung. Nachdem die Schuhfertigung mit den verbliebenen 250 Mitarbeitern nach Schwanheim verlagert worden war, wurde Rheinberger 1995/96 endgültig geschlossen.
15. Vom Betriebsgelände zum Gewerbepark
2007 begann die Stadt Pirmasens, das ehemalige Betriebsgelände in einen Gewerbepark umzuwandeln, finanziert durch eine Spende des Rheinberger-Nachkommen Klaus Rheinberger sowie durch Fördermittel des Bundes und Landes. Bereits am 29. April 2008 wurde das Science Center „Dynamikum“ eröffnet. Seither dient der Gewerbepark als Sitz von Arztpraxen, der Montessori Schule, der Tourist-Information sowie der „Pirmasenser Zeitung“ und der Zeitung „Die Rheinpfalz“.
Quellen:
- Eduard Rheinberger AG (Hg.), Das Buch vom Schuh. Den Freunden unseres Hauses aus Anlass des 75jährigen Firmenjubiläums gewidmet, Pirmasens/Offenbach 1957.
- Stadtverwaltung Pirmasens, Oskar Schäfer (Hg.), Deutschlands Städtebau: Pirmasens, die deutsche Schuhmetropole, Dari-Verlag, Berlin-Hallensee 1927.
- Eduard Rheinberger AG (Hg.), Eduard Rheinberger, Schuhfabrik Pirmasens, 1882-1932, Jubiläumsschrift.
- Rheinberger, Gustav, Geschichte des Hauses Eduard Rheinberger Pirmasens, 1882-1962, Jubiläumsschrift 80 Jahre Rheinberger.
- Eduard Rheinberger GmbH (Hg.), 100 Jahre Rheinberger, 1882-1982, Jubiläumsschrift
- Sudrow, Anne, Der Schuh im Nationalsozialismus. Eine Produktgeschichte im deutsch-britisch-amerikanischen Vergleich, Wallstein-Verlag, Göttingen 2010.
- Erbach, Sabrina, Rheinberger AG, Wirtschaftsgeschichte in Rheinland-Pfalz, veröffentlicht auf: http://www.wirtschaftsgeschichte-rlp.de.
Text und Fotos: Stadtarchiv Pirmasens